Warum Fitness? Oder: Gesund durch Bewegung?

Sport ist gesund – darüber sind sich alle Mediziner und Fachleute einig. Denn regelmäßige Bewegung beugt so unterschiedliche Krankheiten wie Arteriosklerose, Knochenschwund und Altersdemenz vor. Der Kreislauf lässt sich in Schwung bringen, das Immunsystem wird aktiviert und auch der Bewegungsapparat bleibt durch sportliche Bewegung und Fitness gesund. Da gleichzeitig körpereigene Glückshormone freigesetzt werden, empfehlen immer mehr Psychologen Sport auch als Arzneimittel bei Depressionen und Angststörungen. Nicht nur der kalifornische Psychiater Wayne Sandler ist heute davon überzeugt, dass Bewegung sich oft besser auswirkt, als Psychopharmaka, die nicht nur abhängig machen können, sondern teilweise unabsehbare Nebenwirkungen mit sich bringen. Sandler ist deshalb dazu übergegangen, die Gesprächstherapien seiner Patienten mit regelmäßigem Lauftraining und Fitnessprogrammen zu kombinieren. Eine Studie der amerikanischen Duke Universität bestätigt die positiven Erfahrungen, die die Patienten beschreiben: Wer dreimal in der Woche eine halbe Stunde läuft oder schnell geht, der schützt sich ebenso gut vor Schwermut und Niedergeschlagenheit wie ein Mensch, der täglich Medikamente gegen das Stimmungstief schluckt (vgl. Babyak M. et al: Exercise Treatment for Mayor Depression: maintenance of Therapeuthic Benefit at 10 Months; Psychosomatic Medicine 2000; 62; S. 633-638).

Aber nicht nur bei Personen mit psychischen Beschwerden kann Bewegung Wunder wirken. Gleiches gilt auch für Krebspatienten, deren Leben sich durch leichte körperliche Betätigung enorm verlängern und verbessern lässt. Sport und Bewegung gibt den Betroffenen verloren geglaubte Kräfte zurück, stärkt die Immunabwehr und verbessert die Gemütslage. Auch beweisen Studien, dass Rückfälle seltener sind, wenn die Patienten sich sportlich fit halten. Von ähnlichen Resultaten berichten Fachleute verschiedenster medizinischer Zweige. So gilt es mittlerweile als überholt, Sport nur zur Prophylaxe einzusetzen, aber nach Ausbruch einer Krankheit Bettruhe und Schonung zu verordnen. Neuere Studien kommen immer wieder zu dem gleichen Ergebnis: Moderates Training kann wie ein Medikament gegen alle Arten von Krankheiten angewendet werden (vgl. Pedersen P.K. and Saltin B.: Evidence for Prescribing Exercise as Therapy in Chronic Desease; Scand J Med Sci Sports 2006; 16; S. 3-63).

Vor allem bei den großen Volkskrankheiten ist nicht – wie jahrzehntelang angenommen – Schonung, sondern Bewegung die beste Medizin. Dies gilt für Osteoporose und rheumatischen Gelenkverschleiß ebenso wie für chronische Rückenschmerzen oder Diabetes Typ-2, die sich alle durch Fitness eingrenzen oder sogar besiegen lassen. Und auch bei Schulkindern mit dem Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom (ADS) ist Sport die gesunde Alternative zum Schlucken von Medikamenten. Selbst bei Impotenz ist körperliche Fitness das beste Gegenmittel, wie eine Langzeitstudie an über 1.000 Männern beweist.

Patienten mit Herzmuskelschwäche und anderen stabilen Herzerkrankungen erfahren durch Fitness eine entscheidende Verbesserung ihrer Situation. Dennoch verordnen auch in diesen Fällen weiterhin viele Ärzte aus Unwissenheit absolute Schonung und so wenig körperliche Belastung wie möglich. Dabei ergab eine aktuelle Untersuchung, dass sportlich aktive Patienten mit einer stabilen chronischen Herzinsuffizienz die Wahrscheinlichkeit, daran zu sterben um fast 35 Prozent senken. Ein erhöhter Blutdruck lässt sich ebenfalls durch etwas Bewegung leicht reduzieren. Und auch bei chronischen Stoffwechselerkrankungen und Gelenkverschleiß wirkt sich sportliche Betätigung positiv aus, während Ruhe und Untätigkeit oft die Lebensqualität verschlechtern (vgl. Löllgen H.: Alter, Altern und Bewegung; Deutsches Ärzteblatt 2004; 101; S. A788-A789). Dabei muss es gar kein Hochleistungssport sein, denn selbst Wandern, Nordic Walking, Rad fahren, Treppen steigen und Gartenarbeit sind gesund und können das Leben verlängern.

Warum aber raten noch immer so viele Mediziner trotz dieser eindeutigen Forschungsresultate von Bewegung und Anstrengung nach Ausbruch einer Krankheit ab, obwohl sich nachweislich das Befinden der Patienten verschlechtern kann? Wie bei allen neuen Lehrmeinungen dauert es eine gewisse Zeit, bis sich die positiven Ergebnisse bei allen Fachleuten und Laien herumsprechen (vgl. Becker A.: Schonungslose Medizin – Der neue Umgang mit dem Kranksein; Z Allg Med 2006; 82; S. 338-342). Vor allem, wenn neue Untersuchungen das genaue Gegenteil von dem zeigen, was die Mediziner noch während ihres Studiums gelernt haben, lassen sie sich nur langsam überzeugen. Obwohl dieses veraltete Denken von vielen Forschern kritisiert wird, dauert es sicherlich noch einige Jahre, bis alle Ärzte davon überzeugt sind, dass Sport auch dann noch gesund ist, wenn eine chronische Erkrankung bereits vorliegt.

Dabei ist die positive Wirkung von Fitness und Sport auf den Organismus nicht nur wissenschaftlich erwiesen, sondern lässt sich auch leicht erklären: Denn seit Beginn der Evolution ist der menschliche Körper darauf ausgerichtet, sich bei der Jagd und Suche nach Nahrung Tag für Tag zu verausgaben. Auf Trägheit und Bewegungsarmut ist das Überlebensmodell des Menschen hingegen genetisch nicht eingestellt. Wer nun aber – sei es durch jahrelange Bürotätigkeit oder vom Arzt verordnete Schonung – die Bewegungen auf ein Minimum reduziert, der bringt seinen Stoffwechsel ins Stocken. Es kommt vermehrt zur Bildung von Gallensteinen und auch die Verdauung läuft sehr viel langsamer ab. Dies wiederum führt dazu, dass Giftstoffe und krebsauslösende Substanzen der Nahrung viel länger im Körper verbleiben. So verwundert es nicht, dass inaktive Menschen ein um 50 Prozent erhöhtes Risiko für Dickdarmkrebs aufweisen. So hilft es also nicht allein, sein Gewicht zu reduzieren oder niedrig zu halten, um seinem Körper Gutes zu tun. Bewegung – immer angepasst an den Gesundheitszustand und das Leistungsvermögen – ist nötig, um sich fit zu halten oder es wieder zu werden. Schon bei Kleinkindern kann man zum Beispiel beobachten, dass sie ihre geistigen Fähigkeiten nur richtig entwickeln, wenn sie sich genügend bewegen, toben und turnen.

Dennoch hielten Wissenschaftler lange Zeit eine Beeinflussung von körperlicher Bewegung auf das Gehirn bei Erwachsenen für ausgeschlossen. Doch diese Lehrmeinung hat sich ebenso als falsch herausgestellt wie die Behauptung, das Gehirn könne nach der Geburt keine neuen Nervenzellen (Neuronen) mehr bilden. Denn neue Forschungen zeigen, dass durch körperliche Ertüchtigung das menschliche Hirn mit Nähr- und Wuchsstoffen versorgt wird, die zur Neubildung von Neuronen führen. Fachleute sind deshalb mehr und mehr der Meinung, dass auch ältere Menschen leichter Neues erlernen können, wenn sie Körper und Geist gleichermaßen fit halten (vgl. Marx J.: Preventing Alzheimer´s: A lifelong Committment; Sience 2005; 309; S. 864-866).

Trotz all dieser Erfolgsmeldungen ist Sport allein natürlich keine Garantie dafür, gesund und von Krankheiten wie Dickdarmkrebs, Schlaganfall oder Gedächtnisschwund verschont zu bleiben. Es gibt schließlich genügend Beispiele von Spitzensportlern und sehr gesundheitsbewussten Menschen, die trotz ausreichender Bewegung schwere Erkrankungen erleiden und früh sterben. Schließlich wirkt sich nicht nur die Lebensführung, sondern auch das Erbgut, verschiedene Umweltfaktoren und nicht zuletzt der Zufall auf die Gesundheit eines Menschen aus. Dennoch lässt sich ganz klar feststellen: Tägliche Bewegung verringert erheblich die Wahrscheinlichkeit an Diabetes Typ-2, Fettleibigkeit, Herz-Kreislauferkrankungen, Depression, aber auch Brust- oder Darmkrebs zu erkranken. Gleichzeitig stoppt Sport den biologischen Alterungsprozess und hält jung.